Rico, Mobster

Wie in Zeitlupe glitt Ricos Blick über den Garten. Die Abendsonne schien auf die Szenerie herunter und tauchte alles in freundliches rötliches Licht und verlieh dem Abend ein wenig angenehme Spätsommerwärme. Ein Sonnenschirm lag im Gras, der Zweite trieb gleich neben Freddy im Pool. Die letzten Sonnenstrahlen spiegelten sich in den Glasscherben, die auf der Terrasse verteilt lagen, in Lacken von Martini und Prosecco. Rico lehnte sich gegen den umgeworfenen langen Holztisch und rutschte zu Boden. Sein Rücken hinterließ eine feuchte, rote Spur auf dem sündhaft teuren Mahagoni. 

Schmerz zierte sein Gesicht, als er mit dem Hintern auf dem Boden aufsetzte. Die Kraft verließ seinen rechten Arm und der Griff seiner Hand um die Pistole wurde locker. Er atmete schwer, als er in seine Brusttasche fasste, um sein Handy herauszuholen. Das Display war ganz verschmiert vom Blut, das langsam aber sicher seine Kleidung tränkte. Ohne das sein Handy reagierte, fuhr er mit seinen rot gefärbten Fingern über die zersplitterte Glasscheibe. Er lächelte bitter und blickte auf Freddy, der mit dem Rücken nach oben im Wasser schwebte. “Du hast es wohl schon hinter dir, alter Freund!” murmelte er leise und versuchte sich an die Gebete zu erinnern, die ihm seine Großmutter eingebläut hatte, als er noch ein unschuldiger kleiner Junge gewesen war. Doch weiter als “der du bist im Himmel” kam er nicht. “geheiligt werde dein Namen…” hörte er da auf einmal neben sich eine helle Stimme.

Mit aller Kraft, die er noch in sich hatte, wendete er seinen Kopf und blickte in ein verbissenes Frauengesicht. Sie hockte neben ihm hinter dem schweren Holztisch und führte sein Gebet fort. Rico versuchte sich zu erinnern, woher er sie kannte, oder wer sie war. Und warum sie zwei Uzis in den Händen hielt. Aber seine Erinnerungen verschwommen und gerade die letzten Minuten waren nur ein einziges Weiß. Heute waren alle zum Grillen beim Boss eingeladen, so viel wusste er noch. Aber danach war alles irgendwie nur ein stechender Schmerz, der alles andere überdeckte. “Warst du auch zum Grillen eingeladen?” fragte Rico und hustete ein wenig. Er schmeckte Blut im Mund, lange würde er sich wahrscheinlich nicht mehr solche Fragen stellen müssen. “Ich habe mich selbst eingeladen!” hörte er sie antworten. Rico wusste, wie er jetzt hätte reagieren müssen. Anscheinend war sie es gewesen, die hier so gewütet hatte. Er müsste jetzt seine Pistole wieder fest ergreifen und Freddy und sich rächen, um seinen Boss zu beschützen. Aber ihm fehlte die Kraft.

“Schade, das hätte ein netter Abend werden können!“, sagte Rico und versuchte mehr Druck auf seine Flanke auszuüben, während das Blut durch seine Finger ran. Die Frau neben ihm lächelte nicht ob seiner Bemerkung, sondern streckte die Hand über den Tisch und drückte den Abzug, dass Rico fast das Hören verging. Als das Klingeln in seinen Ohren nachgelassen hatte, hörte er ihre Stimme. “…Schulden, deswegen musste er sterben. Und diese Rechnung wird dein dreckiger Boss bezahlen.” Tränen rannen ihre Wangen runter, während sie erneut den Abzug drückte und feuerte, bis ein Klicken ihr leer geschossenes Magazin verriet. Sie ließ sich neben Rico nieder. Es war ruhig. Zu ruhig, das wusste Rico. Hätte die Frau nicht ihr Ziel erfüllt, dann würden jetzt Kugeln in den Tisch einschlagen und er würde die wütenden Rufe seines Bosses hören, der sie herumkommandierte.

Er spürte ihre Haare an seiner Wange, als sie auf einmal ihren Kopf an seine Schulter lehnte und er sie schluchzen hörte. “Jonny, warum musstest du dich mit ihnen einlassen!” weinte sie. Rico ließ seine Brust los und sofort quoll frisches hellrotes Blut aus den Wunden. Er hob seine Hand und fasste ihre. “Jetzt habe ich nichtmal mehr dich..!” Ihr Blick fiel auf die blutige Hand, die versuchte, sie zu trösten, dann auf das Chaos, das um sie herum herrschte. “Und bin selber zu einer Mörderin geworden!” Sie begann zu hyperventilieren. “Ich bin kein bisschen besser als diese Schweine!” schrie sie schon fast. Rico zog sie zu sich, packte ihr Gesicht und zwang sie mit seiner restlichen Kraft, dass sie ihn an blickte. “ES WIRD LEICHTER, DER SCHMERZ WIRD SCHWÄCHER UND DU BIST NICHT WIE WIR, WIR HABEN SOWAS VERDIENT!” Dann spuckte er Blut, es hatte ihn alles an Kraft gekostet. Ganz ruhig sah sie ihn an, Überraschung und Dankbarkeit in ihren verheulten Augen. “Und jetzt mach, dass du hier wegkommst, wenn nicht gleich die Polente auftaucht, dann der Rest von uns.” Sie stand auf und lief auf den Gartenzaun zu. “Stimmt das?” fragte sie. Rico nickte und dachte sich: „Nein, es wird nie leichter und der Schmerz bleibt, aber ja, wir haben es verdient!”

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