“Zweimal die Nummer 27, einmal extra spicy, einmal normal! Und dazu M3! Alles zum Mitnehmen!” Jo zuckte zusammen. Die kleine Küche, in der sie die Speisen zubereitete, war gerade groß genug, um sich umzudrehen, aber Tante Sue brüllte jedesmal so laut, als würde sie auf dem Hauptplatz das Silvesterfeuerwerk übertönen wollen. Jo zwinkerte mit dem linken Auge, um das eben erschienene Pop-up-Fenster in ihren AR-Linsen zu speichern und griff hinter sich nach der Schüssel kleingeschnittener Zwiebel. Sie griff hinein und blickte auf das Anzeigemodul ihrer Handschuhe. 11,8 Gramm stand dort. Sie ließ zwei der Zwiebelwürfel fallen. 10,2! Besser, dachte sich Jo und schupfte den Rest der Würfel in die heiße Pfanne, in der es sofort zischte. Ein Spritzer Öl hinterher und Jo war schon wieder in ihrem Element. Sie ließ das Gemüse und die Gewürze in dem heißen Öl in der Pfanne tanzen und aktivierte mit einem kurzen Pfiff das kleine Radio, das neben ihr stand.
Wenig später schnappte sie sich zwei Behälter und schon wanderte der Inhalt der Pfanne heiß dampfend hinein. Kunstvoll warf sie die Plastikschüsseln in die Luft und fing sie gekonnt mit dem Plastiksackerl wieder auf, auf dem ein unförmiger roter Panda schlecht aufgedruckt war. Jo verdrehte die Augen, wie jedes Mal, wenn sie das hässliche Logo sah, das ihre Tante sich ausgesucht hatte. Sie selber hatte es ja versucht, als ihre Tante damit ankam, dagegen vorzugehen, aber wie so oft war ihre Tante nicht davon abzubringen.
Jo händigte der wartenden Person das Sackerl aus und wollte schon wieder in der Küche verschwinden, bevor sie einer der Gäste ansprechen würde, das versuchte sie tunlichst zu vermeiden, als sie im Augenwinkel bemerkte, dass jemand ins kleine Lokal stolperte.
Eine junge Frau schleppte einen Mann ins Lokal rein, der halb auf ihrer Schulter lag. Beide keuchten schwer, als sie sich beim ersten Tisch niederließen und durchatmeten. Jo brauchte nicht lange, um die roten Flecken zu erkennen, die sich auf der zerfetzten Jacke des Mannes gebildet hatten. Kopfschütteln ging sie auf die beiden zu und deutete mit ihrer Hand zum Ausgang. “Oh nein, ich habe keine Ahnung, was da los ist, aber ich möchte ganz sicher nichts damit zu tun haben. Raus hier!” sagte sie emotionslos und versuchte eine verscheuchende Handbewegung zu machen, so als würde sie ein paar Fliegen von ihren Zutaten vertreiben. Die Frau drückte ihre Hände auf den Bauch des Mannes und blickte Jo flehend an, während ihr das Blut durch die Finger rannte. “Bitte…wenn ihr uns rauswerft, dann finden sie uns und mein Freund, er kann in dem Zustand auch nicht laufen!” bettelte sie. “Ich weiß nicht, wer euch verfolgt und ich will es auch gar nicht wissen! Ich will damit nichts zu tun haben, raus hier, bevor ihr mich da mit reinzieht!” entgegnete Jo gnadenlos als auch schon zwei grobschlächtige Personen vor dem Lokal auftauchen auftauchten und die beiden im Lokal entdeckten. Ein Grinsen erschien auf ihren Lippen, als sich auch schon jeweils ein Gewehrlauf aus ihren mechanisch verbesserten Armen schob, die sie auf den kleinen Street-Food-Laden richteten. Jo hob beide Arme. “Ich will nichts damit zu tun haben, nehmt die beiden mit und lasst uns in Ruhe!” rief sie und versuchte einen Schritt auf die beiden zuzugehen, als sie das rote Licht in ihren Augen aufblitzen sah. “Fuck!” dachte sich Jo und griff nach dem Tisch, der hinter ihr stand. “92 Kilogramm!” zeigten ihre Handschuhe an, als sie ihn ergriff, hoch hob und den beiden Schlägertypen vor dem Lokal entgegen schmetterte. Die Glasfront zersplitterte in tausende Teile und unzählige Splitter flogen durchs Lokal, gefolgt von einem guten Dutzend Kugeln, die durch die Luft surrten und einen Teil der Gäste und des Interieurs zu Kleinholz verarbeiteten. Jo stand immer noch aufrecht, es war ein Wunder, dass sie keine der Kugeln getroffen hatte, aber der 5 cm lange Glassplitter der in ihrem Oberarm steckte, hatte wohl nicht nur Muskel zerschnitten sondern auch eine Leitung ihrer Implantate, ihr Handschuh jedenfall spielte verrückt und in ihrem linken oberen Sichtfeld tauchte dauernd eine Bestellung für “D12” auf. Selbst wenn jetzt jemand ein Lychee-Kompott bestellt hatte, hatte Jo gerade andere Probleme. Wenigstens hatten auch die anderen beide Probleme mit ihrer Hardware. Deren integrierte Gewehre schienen Ladehemmungen zu haben. Der Zusammenprall mit dem Tisch hatte anscheinend nicht gut getan. Das hatte man davon, wenn man sich seine Cybernetik bei einem Kurpfuscher holte. Jo hechtete zurück in die Küche und landete in dem Moment neben ihrem Herd am Boden, als die Ladehemmungen behoben waren und starrte direkt in Tante Sues leblose Augen. Eine der Kugeln war direkt durch ihren Hals gegangen, in ihren Händen lag immer noch das Tablett mit dem sie sonst die Bestellungen, zusätzlich zum lauten Brüllen, an Jo weitergab. Langsam tropfte Blut aus ihrem Mund auf das Tablett auf Feld “D12-Lychee-Kompott”. “Ich wollte doch nichts damit zu tun haben.” Als diese Worte verbissen flüsternd über ihre Lippen kamen, fiel ihr Blick nach oben zu der langen Magnetleiste, an der ihre Küchenmesser hingen. Als sie das Klicken der leer geschossenen Magazine hörte, sprang sie auf und schnappte sich zwei der Messer und schleuderte sie in Richtung Straße. Sie wartete gar nicht erst ab, ob sie traf, sondern warf eines nach dem anderen. Als sie nur das schwere Küchenbeil in der Hand hatte, wartete sie kurz ab. Die beiden Angreifer lagen auf dem Boden, die Messergriffe ragten aus ihnen hervor. Jo ging langsam auf die beiden zu. Sie trat hinaus aus dem Lokal und sah auf die beiden hinab. Da spürte sie den kalten metallenen Lauf einer Pistole an ihrer Schläfe. “Ich wollte doch einfach nichts damit zu tun haben. Einmal noch sah die Bestellung für das Lychee-Kompott aufploppen.