Matthias, Söldner

Das Kreischen der Krähen, das lautstark über die trostlose Weide hallte, ließ Matthias aufschrecken. Mit einem tiefen Atemzug füllten sich seine Lungen erstmals wieder bis zur Gänze und seine Angst geweiteten Augen starrten hinaus in das Dunkel der Nacht. Ein starkes, feuchtes Husten war die Folge und wahrscheinlich auch der Grund, warum er in seiner Ohnmacht nur so flach geatmet hatte. Das tiefschwarze Gefieder der Krähe vor ihm hob sich nur marginal ab von dem wolkenverhangenen sternenlosen Himmel über ihm. Die Anwesenheit dieser eigentlich so graziösen Vögel ließ vermuten, dass deren ständiger Begleiter ebenfalls gerade hier auf dem Schlachtfeld unterwegs war. Er versuchte, sich aufzurichten, doch so wirklich gelang es ihm nicht. Sein rechter Arm steckte fest zwischen 2 Leichen, die sich im Todeskampf ineinander verkeilt hatten. Erschöpft gab er auf, als auch kein Rütteln und Ziehen daran etwas geändert hatten. Mit zitternden Fingern löste er sein Helmband und ließ den Kopf hängen bis der schwere, verbeulte Helm von seinem Haupt rutschte und scheppernd über seinen zerschlagenen Brustpanzer zu Boden fiel. Aufgescheucht stoben mehrere Krähen in den Himmel, die sich gerade in seiner Nähe an denen gelabt hatten, die ihren inneren Kampf schon verloren hatten.

So langsam kehrte das Gefühl in seine tauben Glieder zurück. Er spürte die Kälte, die sich in seinen Blut und Schweiß getränkten Kleidern eingenistet hatte. Der junge Mann lag da, starrte in den Himmel und genoss die Ruhe. Sie schien so fremd und ungewohnt. Nach den Stunden des Lärms, des Klirren der aufeinander prallenden Waffen und Rüstungen, des Brüllen seines Kommandanten, der versuchte Ordnung in den Haufen seiner Meute zu bekommen und der Schreien und des Stöhnens der Verwundeten, da war diese ruhige Nacht, die nur selten dem Krächzen der Krähen erfüllt wurde, geradezu Weltfremd. Die Wolken hatten sich ein wenig verteilt und sanft tauchte der große Mond alles in ein zärtliches, aber kaltes, blaues Licht. 

Matthias bemerkte einen Schatten, der sich von hinten näherte und eine große, hagere Gestalt stand neben ihm und beugte sich zu ihm herab. In der einen Hand hielt sie eine große Sense, mit der anderen strich sie sanft über Matthias Gesicht. Die Berührung ihrer knochigen, langen Finger hinterließen ein Gefühl der Kälte. “Nein, bitte…..!” flüsterte Matthias voller Angst. “Das kann es doch noch nicht gewesen sein.” Die Gestalt erhob sich und stand nun in aller Größe vor ihm. Hinter ihr das Mondlicht, das ihre schwarze Silhouette umspielte. Würde Matthias nicht in einem Meer aus Leichen liegen, in seinem eigenen Blut schwimmend, dann hätte er diese Erscheinung vielleicht für einen Engel gehalten. “Ich kann noch nicht, …ich habe noch so viel, das ich tun muss!” Ruhig nahm die Gestalt einen von Matthias gefallenen Kameraden, der über das Pferd gebeugt dalag und zog ihn fast lautlos hinunter und ließ sich auf dem Pferdekadaver nieder. Wie auf einem Thron saß er da und wandte sich wieder Matthias zu.

„Bitte…Ich weiß, dass ich es nicht verdient habe, aber ich muss es wiedergutmachen. Es hätte ja meine letzte Schlacht sein sollen, direkt danach wollte ich wieder heimkehren.” Wortlos saß die Gestalt da und starrte ihm entgegen. “Diesmal wirklich, ich weiß, dass habe ich schon öfter gesagt und noch öfter in den Briefen geschrieben, die ich nach Hause geschickt habe. Ich wollte wirklich aufhören und versuchen, ein besserer Mann und Vater zu sein. Aber hier, hier war ich ich. Glaubst du, ich will so sein? Dieses Monster in mir, bei jeder Kleinigkeit zu fürchten, dass es ausbricht und ich nicht mehr kontrollieren kann. Aber hier, hier haben meine Schläge wenigstens Leute getroffen, die es verdient haben und ich habe daran verdient.” Eine Krähe ließ sich auf der Schulter der Gestalt nieder. “Aber zuhause, als ob meine Frau und Kinder nicht gewusst hätten, dass mir das schwerfällt. Sie haben mich ja immer wieder erzürnt. Ich wollte das doch nicht! Aber immer wieder haben sie mich dazu getrieben. Aber jetzt werde ich alles ändern. Bitte! Ich werde den Schlachten den Rücken und nach Hause zurückkehren. Und ich werde mich ändern und meine Familie aufpassen und dann werde ich das Monster in mir auch bändigen.”

Die Gestalt erhob sich. “Bitte, lass mich das wieder gut machen. Lass mich dafür sorgen, dass es meiner Familie gut geht.” Die Gestalt kniete sich neben Matthias und legte sanft ihre Hand auf seine Stirn. “Dafür sorge ich gerade!” hörte Matthias, bevor die Hand seine Augen für immer schloss.

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