Mit einem dumpfen Knacken spürte Torben, wie sich sein Unterkiefer vom Rest seines Schädels löste, der sich um 927° im Kreis drehte und scheppernd zu Boden fiel. Jetzt hatte er endlich wieder seine Ruhe. Klappernd fiel er in sich zusammen.
“Papa, Papa, komm schnell! Beim Herd raucht es schon!” hörte er seinen kleinen Engel aus der Hütte rufen. Er stand auf, klopfte seine dreckigen braunen Leinenhosen ab und schob sich den Strohhut zurück in den Nacken. Dann ging er zügig auf die kleine Kate zu, aus der er weitere Rufe hörte. Er duckte sich unter dem niedrigen Türstock durch und hängte den Hut an den Haken neben die Tür. Dann musste er husten, seine Tochter hatte nicht übertrieben, er rannte zum Herd und zog den brodelnden Topf zur Seite und stieß die Fensterläden auf, damit etwas Frischluft in die verrauchte Kammer kommen konnte. “Essen ist fertig!” sagte er etwas verlegen. Kochen war wirklich nicht seine Stärke. Hinter sich hörte er das Klappern von Tonschüsseln, die seine kleine Tochter auf den Tisch stellte. Er hievte den vollen Topf auf den alten Holztisch und fuhr mit der Kelle tief in den einfachen dünnen Rübeneintopf und rührte einmal um. Dann teilte er aus. Sofort stürzte sich die Kleine auf das Essen. “Mh Papa, das schmeckt heute schon viel besser!” sagte sie glucksend. “Danke?” sagte Torben, misstrauisch und verzog seine Augenbraue ein wenig. Der kleine Schelm vor ihm würde sicher noch etwas nachsetzen. Doch sie steckte bis zu den Ohren in ihrer Schüssel und schlürfte wie eine hungrige Katze die ganze Schüssel leer. “Also Papa, dein Rauchbrand-Eintopf mit Rüben ist wirklich der Beste.” sagte sie kichernd. Torben musste grinsen, als er eine tiefe Stimme in seinem Kopf hörte…
Er spürte wie sich sein Unterkiefer über den zerkratzten Steinboden zog und am Weg zu ihm mehrere Zähne aufsammelte. Das grüne Leuchten in seinen Augenhöhlen erkannte genau, dass es nicht nur seine eigenen waren. Er wollte nicht schon wieder die Zähne von Wenzel im Mund haben, die waren viel größer als seine und dann zwickte sein Unterkiefer immer. Wenigstens war es sein eigener Oberschenkel, der sich an seine Hüfte legte. Das Hinken blieb ihm wohl diesmal erspart. Konnte dieser Anfänger nicht endlich sein Latein verbessern?
Torben schnappte sich das schartige Schwert, das neben ihm lag und klopfte mit der freien Hand auf seinen Rippen. Er drehte sich zum Eingang der dunklen Kammer um, in der er stand und sah einen Hünen vor sich stehen, über 2 Meter groß und Oberarme wie Baumstämme, das würde wenigstens schnell gehen. Er stellte sich vor die anderen und ging auf den Riesen zu. Da sah er von oben den mächtigen Hammer auf sich niedersausen. Sein Genick knackte und sein Kopf löste sich von der Wirbelsäule und landete auf seinem Brustkorb, wie ein Basketball auf einem zu kleinen Ring bei einem Jahrmarktspiel. Die enorme Pranke dieses Berserkers legte nach und haute nochmal von oben drauf, woraufhin sein Kopf durch die Rippen brach und in einem Regen aus zersplitterten, gebrochenen Knochen am Boden zu liegen kam!
“Papa, ich….werde dich schrecklich vermissen!” “Ich dich auch, aber ich will, dass du dir Mühe gibst und brav lernst. Frau Krindler ist so nett und nimmt dich auf um dir viel beizubringen, dann musst du nicht auch dein restliches Leben verbrannte Rüben essen!” sagte Torben und hielt seiner Tochter den kleinen Ranzen hin, in dem ihre wenigen Sachen eingepackt waren. “Ich hab dich lieb, Papa!“ sagte sie mit feuchten Augen und umarmte ihn schnell, bevor er ihre Tränen sehen konnte. “Ich dich auch, mein kleiner Schelm und es ist ja auch nicht weit weg, nur ein paar Stunden, da kann ich dich oft besuchen kommen, wenn die Rüben erstmal wachsen und ich nicht so viel zu tun habe.” Tapfer lächelte sie ihn an, drückte ihn noch einmal, dann schnappte sie sich den Ranzen und ging den staubigen Pfad, weg von ihrem Zuhause in ihre Zukunft. Torben stand noch lange da und blickte ihr nach, auch als sie längst hinter der nächsten Kurve verschwunden war. Erst der beißende Geruch von Rauch, der aus der Hütte kam, holte ihn in die Realität zurück, doch noch bevor er die windschiefe Holztür aufmachen konnte, hörte er wieder eine tiefe Stimme in seinem Kopf.
“Verdammt nochmal es heist vivorum corporum und nicht vivum corpus!” dachte sich Torben. Das hatte inzwischen auch er kapiert in all den Jahren. Er konnte weder Lesen noch Schreiben, aber nach 100 Versuchen hätte auch er es gecheckt. “Bringen wir es hinter uns!” dachte sich Torben und stakte mit zwei verschieden langen Beinen auf den neuen Eindringling zu. Er bückte sich, um eine der alten verrosteten Waffen aufzuheben, die am Boden lag, doch er bekam sie nicht zu fassen. Erst da bemerkte er, dass an seinem Handgelenk gar keine Hand war, sondern nur ein halber Rippenknochen und auf der anderen Seite war überhaupt kein Arm, sondern ein Kopf, der direkt an seiner Schulter dranhing. Verdutzt starrte Torben ihn an. “Hallo?” “Oh, Hallo! Ich bin Rhab, ich bin der Neue!“ hörte er eine tiefe Stimme aus dem lippenlosen Mund kommen. “Freu mich sehr, willkommen in dieser Amateur-Show, aber du wirst sehen….MOMENT bist du nicht der riesige Saftsack, der mir vorher den Brustkorb pulverisiert hat?” Diese grinsenden Zähne hatte er sofort wieder erkannt. “Ja, also…..tut mir leid?” sagte der Kopf an seiner Schulter nervös lächelnd. “Hat dir ja nicht viel gebracht, mich so zuzurichten, wenn du jetzt selber hier bist!” sagte Torben wütend. Er hatte die kleine Gestalt, die er vorher am Eingang erblickt hatte, inzwischen komplett vergessen. “Wie gesagt…tut mir leid!” sagte der Kopf. Torben näherte sich der Wand und drückte das Gesicht an seiner Schulter gegen die grob geschlagenen Steine, dann lief er die Wand entlang. Steinbrocken und Zähne fielen zu Boden. “UPSI, das tut mir jetzt aber leid, wie konnte das denn passieren.” Da biss sich der Kopf auf einmal in der Wand fest und Torben rannte selber mit vollem Karacho in die Steinwand.
“Papa? Jetzt komm schon, es warten schon alle!” Da stand seine Kleine in einem traumhaft weißen Kleid. „Ja, tut mir leid, aber du siehst einfach zu schön aus, um nicht vor Stolz und Freude ein wenig zu weinen!” sagte Torben lächelnd und nahm seine Tochter bei der Hand. Gemeinsam schritten sie durch das kleine Steinportal in die Kapelle, wo schon die anderen warteten. Langsam gingen sie durch den Mittelgang. Er drückte ihre Hand und küsste sie auf die Wange. “Ich bin so stolz auf dich, du hast wirklich nichts anbrennen lassen und was aus deinem Leben gemacht!” flüsterte er ihr ins Ohr und übergab ihre Hand, bevor er sich an den Rand stellte und die tiefe Stimme in seinem Kopf hörte.
Sein Kopf lag noch auf dem staubigen Boden, genau vor ihm die grün leuchtenden Augenhöhlen dieses Barbaren. “Hey, sind wir quitt?” fragte Torben. Torben wusste zwar nicht, wie das ohne Lippen ging, aber der Schädel vor ihm lächelte und zappelte leicht. Das war wohl ein Nicken. “Willkommen in der Ewigkeit! Man gewöhnt sich an die dauernde Wiederauferweckung! Und die kurzen Pausen, wenn man mit seinen Gedanken und Erinnerungen alleine ist, sind wunderschön! Du wirst es lieben, so wie ich! Das ist das Reawakening!”